Die Kolonialisierung des Körpers?

In den letzten Tagen ist es ruhig geworden um die Sexismusdebatte, die durch einen Artikel auf kleinerdrei.org in Rollen gebracht wurde.

Zuvor gab es durch den erschütternden Vergewaltigungsfall in Indien eine nicht anders zu erwartende, neokolonialistisch (Urvashi Butalia hat es bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 07.03.2013 anlässlich des Internationalen Frauentages auf den Punkt gebracht) gefärbte Berichterstattung.

Der Fall Steubenville

Und nun standen zwei High-School-Footballer wegen einer Vergewaltigung vor Gericht, die sich von der in Indien in lediglich zwei Punkten unterscheided: erstens hat das Opfer überlebt und zweitens, ich möchte weder die Bilder noch die Videos sehen, wurde die Tat, photographiert und gefilmt, mittels Social Media verbreitet und sich daran ergötzt. (Die Bloggerin und ehemaligen Steubenvill-Bewohnerin Alexandria Goddard hat via Screenshots alles dokumentiert und das ganze Ausmaß so erkennbar gemacht.)

Die Reaktionen darauf waren alles andere als das, was man erwartet hätte. So meinte der Anwalt der beiden Angeklagten, dass es sich hierbei doch gar nicht um eine Vergewaltigung handelte und das CNN bedauerte die beiden zutiefst, da ja nun ihre Karriere, sogar ihr aussichtsreiches Leben vorbei sei. Das Opfer bekam obendrein noch Morddrohungen.

Was muss in einem Gehirn vorgehen, solch an solch einer Tat zu laben, in dem man daneben steht und anfeuert. Welche Gehirnwindungen müssen ausgeschaltet sein, um eine solche Tat zu relativieren und die Täter, auch wenn hier nur zwei auf der Anklagebank saßen, um ihre „vertanen“ Chancen zu bemitleiden?

Zweierlei Maß

Die Berichterstattung zeigt, dass in zwei Fällen von Vergewaltigung unterschiedlich berichtet wurde. Sie offenbarte nicht nur die weiße Überlegenheitskultur. Sie spricht der sogenannten „westlichen Zivilisation“ ab, ein Verhalten zu beherbergen, dass sich auf brutale Weise des Körpers bemächtigt, der, das kommt bedeutend hinzu, weiblich ist.

Über Indien heißt es, es liege in der Kultur, die einer Aufklärung und feministischer Arbeit noch bedürfe. dem ist mitnichten so. Obwohl ein neuerlicher Fall einer Schweizerin, bei dem gesagt wurde, sie trüge mitschuld, daran zweifeln ließe. Doch schaut man sich die Reaktionen auf #aufschrei und Steubenville an, liegt der Fall klar auf der Hand: die westliche Hemisphäre, eine weiß, heterosexuell, männlich geprägte „Zivilisation“ behauptet allen Ernstes, kein Problem mit Sexismus, sexueller/sexualisierter Gewalt zu haben. Hier wird dem Opfer von vornherein suggeriert, es trüge eine Mitschuld (Kleidung, nicht gewehrt etc.). Und Steubenville ziegt noch deutlicher, dass eine Kultur des Dominierens durch Gewalt, sei sie physisch oder psychisch, im „Westen“ immer noch weit verbreitet ist. Das alles trotz Frauenbewegung und feministischer Arbeit; es lässt tief blicken und stimmt wenig bis kaum zuversichtlich.

Warum Kolonialisierung?

Was hat das aber alles mit Kolonialisierung zu schaffen, um auf die Überschrift zu sprechen zu kommen. Den Link dazu lieferte mir Laurie Penny mit ihrem Artikel „Steubenville: this is rape culture’s Abu Ghraib moment„. Wer den Irakkrieg vor Augen hat, kann sich daran erinnern, was im Gefängnis von Abu Ghraib geschehen ist und wie es an die Oberfläche gekommen ist. Es veranschaulicht zu deutlich kolonialistische Praktiken der Unterwerfung zum Zwecke einer Überlegenheitsdemonstration, als diesen Verweis verwaisen zu lassen.

Der Unterschied zu den Bildern der Zeit des historischen Kolonialismus besteht darin, dass die Unterwerfung nicht nur zum Beweis einer angeblich natürlichen Unterlegenheit dokumentiert wird, auch wenn hier schon die Trophäe mitgedacht ist. Der Nutzen dieser Dokumentation geht über die „bloße“ Trophäe hinaus. Sie will den Rausch lebendig halten und hervorrufen. Sie will teilhaben lassen an der vom Täter selbst eingeredeten Armseligkeit und Minderwertigkeit des Opfers und berauscht sich an der offensichtlich wehrlosen Situation des Opfers.

Kolonialisierung möchte ich es deswegen nennen, weil das Opfer entsubjektiviert wird. Ihm wird das Subjekt aberkannt und somit zu einem rein körperlichen Ding. Der Körper bleibt als ein Objekt, das verschiedenen Begierden ausgesetzt werden kann. Diese Objektifizierung birgt unendliche Möglichkeiten des Grauens. Dieses Grauen nennt sich schlicht Machtdemonstration. In welcher Form diese ausgeübt wird, ist dabei irrelevant; Hauptsache ist die Befriedigung weißer, heterosexueller, männlich konnotierter Gelüste, deren Ziel es ist, das Opfer über eine Schuldzuweisung (seine konstruierte Unterlegenheit, ob sie offensichtlich ist oder nicht) zu blamieren. Diese Objektifizierung kolonialistischer Prägung geht immer mit Gewalt einher.

Doch das Schlimmere daran ist, dass über die Dokumentation ein Diskurs der Normalität hergestellt und als Norm festgeschrieben wird. Innerhalb dieser Norm ist es immer noch der weibliche Körper, der eine sexualisierte Objektifizierung erfährt.

Eine Linksammlung zu Steubenville gibt es bei:

diestandard.at

maedchenmanschaft.net

Meine favorisierten Auseinandersetzungen mit dem Thema in den Artikeln von Laurie Penny (siehe oben) und „So oder so ähnlich, jeden Tag“ auf kleinerdrei.org.

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